Gut dreieinhalb Jahre sind seit „Thrash Command“ verstrichen, dem ersten Album der Balinger Band Traitor. Jetzt gibt es mit „Venomizer“ den Zweitschlag – und Ultimas Lagrimas nehmen sehr gerne auch die zweite Scheibe unter die Ohren.
Um es kurz zu machen: Das Warten hat sich gelohnt. „Venomizer“ liefert zwölf Songs, in der Vinyl-Version sogar 13, die wenig Kompromisse eingehen: Hart, schnell, laut, direkt, ohne die scharfen Kanten abzuschleifen, die Thrash Metal verlangt.
Violent Creek Records/Soulfood * traitor-band.de * 45:30 min * Thrash Metal
Gehen wir gleich auf das ein, was zählt: Die Musik. Die 13 Tracks der Vinyl-LP summieren sich auf eine saubere Dreiviertelstunde. Keiner davon ist künstlich in die Länge gezogen, jeder kommt direkt auf den Punkt. „No filler, all killer“ – dieses Urteil ist wohlverdient.
So fest verwurzelt Traitor im Thrash der 80er-Jahre sind, so modern gehen die vier auf der neuen Platte mit diesem Erbe um. Der Respekt vor den Vorbildern ist da, aber noch weniger als auf dem Erstling beschränken sich die Balinger darauf, diese bloß nachzuahmen.
Das beginnt bei den Songstrukturen. Da erfinden Traitor das Komponieren nicht neu. Aber die Jungs ketten auch nicht einfach nur altbekannte Riffs und vorhersehbare Tempowechsel aneinander. Aus dem stilistisch gut bestellten Feld lassen sie immer wieder neue Ideen aufsprießen. Dass Shouter Andreas bisweilen wie der gemeinsame Sohn von Tom Araya und dem jungen James Hetfield klingt, die Background-Vocals bisweilen an die Anthrax-Chöre erinnern – wer würde sich darüber ernsthaft beschweren?
Auch hinsichtlich der Präzision ist Traitor 2015 nicht so ein Geballer wie manche Thrasher 30 Jahre zuvor oder wie es manche Kapellen bis heute produzieren. Skalpellscharfe Riffs und im besten Sinne maschinell genaue Grooves zeigen das musikalische Können von Traitor.
Wer sich durch diesen klanglichen Sturm kämpft und genau zuhört, kann indes feststellen, dass es an manchen Stellen – häufig in reinen Instrumentalteilen – beinahe swingt. Da sind Grooves und Licks in die Stücke eingewoben, die man bei einer bloßen Knüppeltruppe nicht zu hören bekäme. Gut möglich, dass das teilweise dem neuen zweiten Gitarristen zu verdanken ist, der seine Mitstreiter zu neuen Höchstleistungen zu motivieren scheint.
Dies alles gesagt ist „Venomizer“ dennoch ein recht homogenes Werk geworden. Es an einem Stück durchzuhören ist eine geradezu kathartische Leistung. Keinesfalls weil die Songs langweilig würden, vielmehr weil das für immer nur wenige Takte unterbrochene Trommelfeuer dem Hörer kaum die Chance gibt durchzuatmen. Aber will man das überhaupt? Alles ist bis auf den blanken Stahl geschliffen, nutzlose Wiederholungen oder überlange Soli vermisst man nicht.
Ähnliches gilt übrigens auch für die Produktion: Jedes Instrument, Gesang und die Elemente des Schlagzeugs eingeschlossen, ist klanglich ganz klar definiert und genau an der Stelle, wo es hingehört. Wer daran Spaß hat, kann ja mal nur darauf hören, was das Ride-Becken macht – weil die Mischung so sauber ist, geht das. Mix statt Matsch!
Fazit: Wer Thrash Metal handwerklich und technisch auf der Höhe der Zeit mag, darf an „Venomizer“ nicht vorbei gehen – und sollte Traitor auch live eine Chance geben.
Anspieltipp: Hellhammer (Track 10)
Gesamtnote: 1,8