on 26. Juni 2011 by ultimaslagrimas
Kurz vor der offiziellen Veröffentlichung hat Ultimas Lagrimas ein Rezensionsexemplar des neuen Albums der Neo-Folk-Gruppe Faun erreicht. Dafür sagen wir „Dankeschön“ und lassen nicht nur die Ultimas–Lagrimas-Hörer in einer der nächsten Sendungen mit einer Neuvorstellung daran teilhaben, sondern beglücken euch auch gleich mit einer Rezension des Werkes.

Faun – Eden
Alive/Screaming Banshee * www.faune.de * 1:12:20 h * Neo-Folk
Schon seit einem guten Jahrzehnt bereichert das Ensemble Faun die Neo-Folk-Szene mit filigranen Tönen, wie man sie von oft rustikal daherspielenden Gruppen in diesem Genre nicht immer gewohnt ist. Daran hat sich auch auf dem bis dato neuesten Werk „Eden“ nichts geändert.
Band-Gründer Oliver Pade und seine Mitstreiter vereinen auf der als Konzeptalbum angelegten Platte 14 Titel, die die Grenzen der Folk-Musik sehr weiträumig abstecken. Von fast schon rockigen Titeln, die zum Stampftanz einladen, reicht die stilistische Palette über Weltmusikausflüge bis zu akustischen Stimmungsbildern oder geradezu klassischem Celtic Folk.
Künstlerisch und technisch spielen Faun fraglos in der ersten Liga. Berührungsängste mit digitaler Produktionstechnik und elektronischer Klangerzeugung kennt man nicht. Die daraus erwachsenden Möglichkeiten schöpft „Eden“ zwar voll nicht aus – das Werk klingt vom Ansatz her durchweg akustisch und natürlich -, der Sound ist dadurch aber hervorragend. Faun müht sich nicht an falsch verstandener „Authentizität“ ab – dafür gibt es Live-Auftritte -, sondern versucht, dem Hörer die einzelnen Titel in bestmöglicher Einspielung darzubieten. Die Fähigkeiten der Sänger/innen und Instrumentalisten kommen dank der sorgfältigen Mixes unverfälscht zur Geltung, und das Album vermittelt klanglich trotz der höchst unterschiedlichen Stimmungen und Instrumentierungen einen konsistenten Gesamteindruck.
Inhaltlich soll es laut Pressetext dem Albumtitel entsprechend um den Garten Eden und vergleichbare Paradiesvorstellungen in verschiedenen Kulturen und Religionen gehen. Das lässt sich ohne das umfangreich Booklet allerdings schwer mithören, das der regulären Kauf-CD beiliegt und in dem die Texte sowie deren Hintergründe erläutert werden. Zumindest die Track-Titel versprechen, dass es zu einem guten Teil um mythische Länder der Verheißung geht.
Fazit: Inhaltlich ist „Eden“ ein Konzeptalbum, musikalisch dabei so vielfältig, dass keine Langeweile aufkommt. Eine CD, zu der jeder Freund anspruchsvoller Neo-Folk-Klänge vertrauensvoll greifen kann. Allenfalls Fans pseudo-mittelalterlich gefärbten Dudelsack-Metals werden hilflos von Titel zu Titel weiterklicken. Aber, mal, ehrlich: Auch nietenstarrende Krieger und ledergerüstete Amazonen wollen manchmal einfach nur träumen, oder?
Gesamtnote: 1,8
Die Stücke im einzelnen:
Lupercalla: startet nach einem kurzen Intro in eine von Perkussionsinstrumenten vorangetriebene Harmoniewolke, dominiert von den beiden Frauenstimmen, in der Harfe, Pfeifen und Leier Akzente tupfen; atmosphärisch dichter Auftakt (1)
Zeitgeist: im Bardenstil und hochdeutscher Sprache dargeboten, akustische Instrumente mit Sprach-Samples angereichert, drängt über Schlagwerk und Rhythmus ins Folk-Rockige (2)
Iduna: ein gutmütiger Tanz, bei dem man dezent im wallenden Gewand mitwiegen oder aber auch ausgelassen barfuß auf dem blanken Erdboden tanzen kann; überblasene Flöten, schön im Panorama verteilt, die Dudelsackklänge optimal ins Arrangement eingebettet; rundum eine gelungene Komposition (1)
The Butterfly: kurzes Intermezzo mit Flöte und Laute, das auf den folgenden Titel überleitet (keine Wertung)
Adam Lay Ybounden: wieder etwas zum Tanzen, diesmal mit vorwärtstreibendem Rhythmus; Einsatz der Gesangsstimmen vor allem im ersten Vers nicht immer ganz präzise, was aber den Live-Charakter verstärkt; gut eingesetzte Percussion; Zwischenteil nach zweitem Refrain wirkt etwas zu lehrbuchhaft (3)
Hymn to Pan: Ian Anderson (Jethro Tull) und andere Baroque-Rock-Sänger der 70er-Jahre lassen grüßen; trägt die Stimmung des vorangegangenen Stückes weiter, führt es in die mystische Stimmung eines im Morgennebel sonnenbeschienen Weihers über; Flöte, Marimbaphon und Guiro sehr schön eingesetzt; für die vorhandene klangliche Substanz etwas lang (2)
Pearl: ja, die Vokalistin kann wirklich ausgezeichnet singen; das Stück klingt nicht zuletzt wegen der Instrumentierung stark nach arabisch gefärbtem Ethno-Pop; auf der Oud liegt zu viel Hall (3)
Ogneng yar: dezent eingewobene, programmierte Rhythmen unterstützen den organischen und schlüssigen Gesamteindruck dieser Komposition, die ihre Faszination über das ausgefeilte und mit kleinen retardierenden Passagen stetig aufbauende Arrangement sorgfältig entwickelt; reicher Klang, bei dem teilweise unklar ist, wo das akustische Instrument endet und das Sample beginnt (1, Anspieltipp)
Polska Fran Anderson: melancholisches Instrumentalstück im mittelalterlich-nordischen Stil; Stimmung wie vor dem unvermeidlichen Abschied, ehe der Seefahrer auf seiner Kogge in See sticht; aparterweise hört man sogar die Atmer der Flötistin, was die sehr saubere Studioproduktion menschlicher macht (1)
Alba: Reinhard Mey meets Apocalyptica; schön gespielt und gesungen, doch fehlt ein spürbarer (wenn auch spürbar gewollter) Spannungsbogen (3)
Ynis Avalach: gelungene harmonische Schichtung der Blas-, Streich- und Zupfinstrumente; treibendes Schlagwerk unterstreicht den eingängigen Rhythmus, über dem Laute und Dudelsack solieren dürfen; unerwarteter Tempo- und Stimmungswechsel nach exakt drei Minuten (2)
Arcadia: glasklarer Celtic Folk, der Bilder von einsamen Fjordsiedlungen im Frühling oder aus dem Nebel auftauchenden, grünen Inseln heraufbeschwört; hat viel Zeit, um die melodischen Elemente auszubreiten, entwickelt in seiner Länge dank des hypnotisierenden Frauengesangs eine entrückende Stimmung (2)
The Markel Song: hat etwas von einer Musikantentruppe, die durch die Menschenmenge eines Jahrmarkts schreitet und eine Geschichte in Liedform erzählt, seufzende Fiedel und plaudernder Gesang steht der näselnde Dudelsack in den Instrumentalpassagen als Gegenpol entgegen (2)
Golden Apples: mit Vogelgezwitscher beginnt der abschließende Song; sanfte Harfentöne, Holzbläser und noch sanftere Stimmen umschmeicheln den Gehörgang, ehe der letzte Akkord sehr langsam verhallt; gelungenes Finale des Albums, verleitet dazu, gleich nochmal mit der Zufallsfunktion durch „Eden zu hören (1)